
Die Wertermittlung von Windenergieanlagen
Windenergieanlagen (WEA) sind ein zentraler Bestandteil der globalen Energiewende und haben sich zu einem wichtigen Segment innerhalb der Immobilienbewertung entwickelt. Als technische Spezialimmobilien erfordern WEA eine differenzierte Betrachtung, die technische, wirtschaftliche und rechtliche Aspekte in den Mittelpunkt rückt. Laut Kleiber (2020) stellt die Bewertung von Spezialimmobilien, wie WEA, eine besondere Herausforderung dar, da deren Wert stark von spezifischen Faktoren wie der Ertragsfähigkeit, der Standortqualität und der rechtlichen Einordnung abhängt. Ziel dieses Beitrags ist es, eine umfassende Analyse der Wertermittlung von Windenergieanlagen zu bieten. Neben den klassischen Bewertungsverfahren werden auch Aspekte wie die Berücksichtigung der Restnutzungsdauer, der Einfluss regulatorischer Rahmenbedingungen und die Integration innovativer Technologien beleuchtet. Damit soll ein fundiertes Verständnis der Wertermittlung von WEA geschaffen werden, das sowohl Praxisanforderungen als auch zukünftigen Entwicklungen gerecht wird.
Rechtliche Rahmenbedingungen und Eigentumsverhältnisse
Die rechtliche Einordnung von Windenergieanlagen ist entscheidend für deren Wertermittlung. Laut § 94 und § 95 BGB können WEA entweder als wesentliche Bestandteile eines Grundstücks oder als Scheinbestandteile eingestuft werden. Dies beeinflusst die Bewertung erheblich, da WEA als Scheinbestandteile wirtschaftlich eigenständig bleiben und nicht unmittelbar in den Grundstückswert einfließen. Kleiber (2020) betont, dass die korrekte rechtliche Einordnung essenziell ist, da sie die Zuordnung der Erträge und Kosten sowie die Berücksichtigung von Rückbauverpflichtungen bestimmt.
Ein weiterer relevanter Aspekt ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das die Einspeisevergütung und den wirtschaftlichen Betrieb von WEA regelt. Die Vergütungssätze, die im EEG festgelegt sind, bilden eine zentrale Grundlage für die Ertragswertberechnung. Darüber hinaus beeinflussen Nutzungsverträge, Dienstbarkeiten und Baulasten den Bodenwert und müssen in der Bewertung berücksichtigt werden. Kleiber (2020) weist darauf hin, dass die langfristige Planungssicherheit durch das EEG einen positiven Einfluss auf die Marktattraktivität von WEA hat, während Unsicherheiten bei der Nachfolgeregelung nach Ablauf der Förderperiode zu Wertminderungen führen können.
Technische Grundlagen und Standortfaktoren
Die technische Ausstattung einer Windenergieanlage ist einer der Hauptfaktoren, die ihre Ertragsfähigkeit und damit ihren Verkehrswert beeinflussen. Eine WEA besteht aus mehreren Hauptkomponenten, darunter Fundament, Turm, Gondel und Rotorblätter, deren Qualität und Wartungszustand wesentliche Parameter der Bewertung sind. Kleiber (2020) betont, dass insbesondere der technische Zustand und die Wartungshistorie einer Anlage entscheidend für deren Restnutzungsdauer und Ertragsfähigkeit sind.
Die Standortqualität spielt eine ebenso wichtige Rolle. Windgutachten, die die durchschnittliche Windgeschwindigkeit und die Häufigkeit von Starkwinden am Standort analysieren, sind essenziell für die Ertragsprognose. Standorte mit hohen Windgeschwindigkeiten und geringen Turbulenzen, wie sie oft in Küstennähe vorliegen, erzielen höhere Volllaststunden und damit eine höhere Energieausbeute. Laut Kleiber (2020) muss bei Binnenlandstandorten ein Abschlag berücksichtigt werden, da diese in der Regel geringere Erträge aufweisen. Weitere relevante Standortfaktoren sind die Zugänglichkeit für Wartungsarbeiten, die Nähe zu Netzeinspeisepunkten und die topografischen Bedingungen, die den Bau und Betrieb der Anlage beeinflussen können.
Bewertungsverfahren: Ertragswert und Sachwert
Das Ertragswertverfahren ist das bevorzugte Bewertungsverfahren für WEA, da diese primär als Ertragsobjekte genutzt werden. Laut Kleiber (2020) basiert der Rohertrag auf der Multiplikation des prognostizierten Jahresenergieertrags mit der Einspeisevergütung oder dem Marktpreis für Strom. Die Bewirtschaftungskosten, die Wartung, Versicherung, Pacht und Rückstellungen für den Rückbau umfassen, werden vom Rohertrag abgezogen, um den Reinertrag zu ermitteln. Dieser wird anschließend mit einem Liegenschaftszinssatz kapitalisiert, der die Risiken und Chancen des Betriebs widerspiegelt. Typische Zinssätze liegen zwischen 6 und 8 %, abhängig von der Anlagengröße und der Standortqualität.
Das Sachwertverfahren wird vor allem zur Plausibilisierung und bei Neubauten angewendet. Die Herstellungskosten pro Kilowatt Nennleistung variieren je nach Anlagentyp und betragen durchschnittlich 1.200 bis 1.500 Euro. Ergänzend werden die Erschließungs- und Netzanschlusskosten berücksichtigt, die bei Großanlagen erheblich sein können. Laut Kleiber (2020) ist die altersbedingte Wertminderung ein zentraler Aspekt im Sachwertverfahren, da diese die verbleibende Nutzungsdauer der Anlage berücksichtigt.
Rückbaukosten und Nachhaltigkeitsaspekte
Die Rückbaukosten stellen einen wesentlichen Kostenfaktor in der Bewertung von WEA dar, da sie verpflichtend eingeplant werden müssen. Diese Kosten variieren je nach Anlagengröße und Standort und liegen typischerweise zwischen 20 und 30 Euro pro Kilowatt Nennleistung. Laut Kleiber (2020) sollten Rückstellungen für den Rückbau als Abzugsposten im Ertragswertverfahren berücksichtigt werden, um eine realistische Bewertung zu gewährleisten.
Nachhaltigkeitsaspekte gewinnen in der Bewertung von WEA zunehmend an Bedeutung. Die Möglichkeit, Bauteile wie Rotorblätter oder Generatoren zu recyceln, sowie die ökologische Integration der Anlage in die Umgebung können als wertsteigernde Faktoren betrachtet werden. Zudem könnten Zertifizierungen wie die EU-Taxonomie in Zukunft eine stärkere Rolle spielen, da sie nachhaltige Investitionen fördern und die Marktattraktivität erhöhen.
Zukunftsperspektiven und technologische Entwicklungen
Die technologische Weiterentwicklung im Bereich der Windenergie wird die Bewertungspraxis in den kommenden Jahren weiter verändern. Getriebelose Anlagen und leistungsstärkere Generatoren erhöhen die Energieausbeute und reduzieren die Wartungskosten, was sich positiv auf den Verkehrswert auswirkt. Auch die Entwicklung von schwimmenden Windkraftanlagen eröffnet neue Möglichkeiten für die Erschließung von Offshore-Standorten, die bislang ungenutzt blieben.
Ein weiterer relevanter Trend ist die Digitalisierung. Intelligente Steuerungssysteme und Fernwartungstechnologien ermöglichen eine effizientere Überwachung und Optimierung des Betriebs, was die Betriebskosten senkt und die Ertragsfähigkeit steigert. Laut Kleiber (2020) könnten solche Innovationen in Zukunft zu einem Standard in der Bewertungspraxis werden und die Attraktivität von WEA weiter erhöhen.
Fazit
Die Wertermittlung von Windenergieanlagen erfordert eine interdisziplinäre Herangehensweise, die technische, wirtschaftliche und rechtliche Aspekte gleichermaßen berücksichtigt. Laut Kleiber (2020) bietet das Ertragswertverfahren die geeignetste Methodik, da es die nachhaltigen Einnahmen und Kostenstrukturen der Anlage direkt berücksichtigt. Ergänzende Verfahren wie das Sachwertverfahren können zur Plausibilisierung und für Neubauten genutzt werden. Die fortschreitende technologische Entwicklung und die steigende Bedeutung von Nachhaltigkeit und Digitalisierung werden die Bewertungspraxis weiter prägen und die Rolle von WEA als wertsteigernde Elemente in der Immobilienwirtschaft stärken.
Quellen
- Kleiber, W.: „Verkehrswertermittlung von Grundstücken“, 6. Auflage, Bundesanzeiger Verlag, Köln, 2020.
- HypZert Fachgruppe Energie und Umwelt: „Windenergieanlagen – Grundlagen und Wertermittlung“, Berlin, 2012.
- Piehler, J.: „Praxis der Grundstücksbewertung – Bewertung von Windenergieanlagen“, Loseblattsammlung, 2012.
- Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV), 2021.
- Troff, H.: „Wertermittlung von technischen Anlagen“, in: Gerardy, T., Möckel, R., „Praxis der Grundstücksbewertung“, Loseblattsammlung.
- Deutsche Energie-Agentur: „Leitfaden zur Planung von Windparks“, 2010.